Begehung im Tabakspeicher IX

Ein schnaufender LKW zieht Kohlen vom Betriebsgelände, ein Polizist in Uniform beäugt die jungen und jung gebliebenen Besucher und ich reihe mich in eine gespannte, wartende Menge ein: Am Mittwoch, den 15. Oktober 2014, versammeln sich an die 100 Raumsuchenden vor dem Tabakspeicher IX im Bremer Stadtteil Woltmershausen. Die Bremer Zwischenzeitzentrale hatte gerufen und diesem Ruf wollte ich gern folgen, handelt es sich doch um die Begehung eines besonderen Leerstands – in den weitläufigen Lagerhallen des Speichers IX der Brinkmann-Gruppe wurde einst Tabak in rauen Mengen gelagert. Und das rieche ich, als ich den kolossalen Speicherraum betrete.

Neben mir schreiten ein paar Frauen mit bunten Schals sofort den Raum ab und kartieren die Lage: "Von der Wand mit dem kleinen Fenster bis zur ersten Säule hätte ich fünf Meter", diktiert die eine ihrer Freundin, welche akribisch einen Lageplan mit Maßeinheiten aufzeichnet. Gleich daneben schwärmen bärtige Musiker aus, um den Hall des ungedämmten Raumes zu erkunden – ich treffe auf Champignon-Züchter, Malerinnen, Designer und Kaffee-Röster. Eine erstaunliche Vielfalt offenbart sich in diesem Gemenge, und: Alle vor Ort zur besten Tageszeit, es ist 14.30 Uhr. Schon gleich wird klar gemacht, dass sich von nun an viel bewegen wird. Umbau-Maßnahmen müssen erfolgen, Sicherheit und Fluchtwege neu bedacht werden und die Strukturierung der Interessen und Möglichkeiten wird in den nächsten Wochen und Monaten erfolgen. Ich für meinen Teil bin dankbar, dass diese Räume geöffnet wurden und ich den frischen Winde des gegenseitigen Austausches an diesem Tag schon mal schnuppern durfte.

The Final Countdown

Raus aus der staubigen und feuchten Bunkerluft: Die Instrumente und Lungenflügel der Musiker freuen sich ob der neuen Räumlichkeiten von ITS PUBLIQUE in Bremen. Die Band tat sich mit Friedrich Thein zusammen und entwickelte einen natürlichen Klangraum: Ein Raum-in-Raum-Konzept, das im Sommer 2014 nach intensiver Arbeit fertig wird. Hanfwolle, Quartzsand und verschiedene Hölzer wurden als Dämmung zu allen Seiten zum Einsatz gebracht, da sich das Musikstudio im direkten Kontakt zum Wohnbereich befindet.

Über viele Jahre tüftelten die vier Musiker an unzähligen Aufnahmesituationen, zogen mit ihren Instrumenten aus einem Bremer Bunker in die eigenen vier Wände und was sich gleich ganz anders anfühlte: Der Sauerstoffgehalt im Blut. Die Frische im Kopf zu bewahren, das ist nun kein Thema mehr und auch den Instrumenten scheint es in dem neuen Klima besser zu gehen. Was sich aber ganz neu definiert ist die eigene Akustik in den Räumen, umgesetzt durch Friedrich Thein, seines Zeichens Tonmeister, Musiker und Produzent aus dem Bremer Umland.